„Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“.
Johannes 4,16
Anfang dieses Jahres verfasste ich eine Reihe von Essays, die nun, in einem Buch versammelt, erscheinen sollen. An dieser Stelle möchte ich gekürzte und überarbeitete Versionen dieser Essays vorstellen, aus denen die einzelnen Kapitel meines Buchs bestehen. Dieses wird den Titel Den Himmel zu Lebzeiten betreten tragen und von meinem spirituellen Suchen und Finden handeln. Anhand meiner eigenen Erfahrungen mit der Gottsuche, der Spiritualität und der – alle Religionen vereinenden – Mystik, möchte ich der Leserschaft ein Beispiel geben und zeigen, auf welchem Wege ein Gefühl von Geborgenheit, Gewissheit und tiefgehende Liebe sowie innere Friedlichkeit erreicht werden können. Hierbei ist es wichtig, stetig darauf hinzuweisen, dass es die absolute Wahrheit nicht gibt und dass alle Suchenden jeweils diejenige Form von Spiritualität finden müssen, die am besten zu ihnen passt. In meinem Falle handelt es sich um eine aus christlichen, buddhistischen, hinduistischen, kabbalistischen und muslimischen Elementen zusammengesetzte, wobei mir der Glaube an die christliche Mystik ein sicheres Fundament bietet, da ich mit ihr seit meiner Jugend vertraut bin.
Es soll hier also eine Religion der Liebe und des Friedens umrissen werden, die heilsam für viele gequälte Seelen sein kann, in diesen offenbar von Grausamkeit und Unmenschlichkeit beherrschten Zeiten. Wer indes genauer hinsieht und sich auf die sozialen Interaktionen im Alltag fokussiert, der wird feststellen, dass im Hinblick auf das individuelle Leben der Menschen durchaus Friedlichkeit und Humanität vorhanden sind. Nachbarschaftliche Hilfe, Freundschaft, Familien- und Gemeinsinn, überkonfessionelle Verbundenheit, Verbrüderung und Verschwisterung von unterschiedlich Denkenden, Wahrnehmenden, Fühlenden und Glaubenden – all dies wird durch die radikale Politik und Religion der vermeintlichen Herrscher nicht auszulöschen sein. Wir trotzen Fanatismus und missionarischem Eifer, um weiterhin an die Liebe und den Frieden zu glauben. In meinem Falle verhält es sich so, dass dieser Glaube auf dem Feld der Spiritualität wächst und gedeiht. Indes bin ich mir der Tatsache bewusst, dass es auch alternative Lebensentwürfe und Weltanschauungen gibt, die unbedingt respektiert werden müssen. Öffnen wir uns also allen Formen der Liebe und des Friedens!
Wir sollten uns hierbei bewusst und offen an unsere Intuitionen halten und der Liebe huldigen. Sofern uns eine Religion oder Philosophie intuitiv zusagt, und wir von Herzen spüren, dass sie uns guttut und nicht schadet, dann ist es sinnvoll, uns mit ihr auseinanderzusetzen. Unserem inneren Kompass müssen wir indes blind vertrauen können, denn sonst besteht die Gefahr, in eine Falle zu tappen, in das engmaschige Netz einer Pseudoreligion zu geraten.
Die – intuitive – Grundregel ist simpel. Sie lautet: Solange eine Glaubenslehre, Philosophie oder Religion nicht darauf gründet, ganz allein im Besitz der Wahrheit zu sein, so darf sie erforscht werden. Sobald aber eine arrogante, überhebliche Abgrenzung von anderen Lehren stattfindet, ist Vorsicht geboten. Eine wahrhaftige Religion der Liebe beansprucht niemals, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Eine echte Religion der Liebe begrüßt Andersartiges, denn fremdartiges, neues Gedankengut trägt zur Entwicklung und zum Fortschritt einer kulturellen-religiösen Gemeinschaft bei, und schädigt sie nicht. Also noch einmal: Wenn eine selbsternannte Prophetin, ein Guru oder Meister auftritt, um andere Glaubenssysteme herabzusetzen, sollte man zurückweichen. Dieser Grundregel ist absolut zu vertrauen. Und selbstredend unserer Intuition: Fühlt es sich nicht gut an, kann es uns auch nicht guttun.
Denn die Gotteskinder, für die ich spreche und von denen ich berichte, predigen und leben den Frieden. Sie sind die Apologeten der Liebe und sie scheren sich nicht darum, wo jemand herkommt, wie Sie oder Er aussieht, welche sexuellen Vorlieben Sie oder Er hat und welcher Religion Sie oder Er anhängt. Die Religion, die hier dargelegt wird, ist über-konfessionell und friedlich, die Religion der Liebe.
Das Praktizieren einer solchen ist die notwendige Bedingung, um das Ziel zu erreichen, welches diesem Essay den Titel gibt:
Wie gelange ich zu Lebzeiten in den Himmel?
Diesbezüglich muss eine Entscheidung getroffen werden; die Entscheidung, Gott unter allen Umständen zu dienen und alles von Ihm anzunehmen, auch das Übel. Um seinen Feinden und Peinigern vergeben zu können, bedarf es einer Form von Glauben, die hart wie ein Felsen und gleichzeitig weich wie Watte ist. Wie kann ich jemandem vergeben, der mich quälte, folterte, verleumdete? Auf welchem Wege vermag ich es, meinen Feinden zu vergeben? Die Beantwortung dieser Frage stellt uns vor schlichtweg übermenschliche Schwierigkeiten. Denn Hass und Vergeltungssucht sind tief in uns verankert, sie scheinen zum Kern des menschlichen Wesens zu gehören. Gerade deswegen müssen wir einen Weg finden, um diese althergebrachten, archaischen und martialischen Gefühle zu überwinden.
„Der zerschnittene Wurm vergibt dem Pflug“, bemerkte William Blake einmal; wohl, um zu verdeutlichen, dass selbst diejenigen Feinde, die uns nach dem Leben trachten, unbedingt geliebt werden müssen. Andernfalls wirken sich die Rachegefühle negativ auf unsere Seele, unser Karma, unsere Gesundheit aus. Wer aber im Besitz einer auf dem bedingungslosen Glauben an Gott fußenden Grundhaltung ist, und wessen Liebe zur Natur, zum Kosmos, i.e. zu Gott unerschütterlich ist, der wird das Paradies zu Lebzeiten erfahren können. Ein derartiges Gottvertrauen, welches mit dem althebräischen Begriff emuna oder dem lateinischen Wort fides bezeichnet werden kann, muss nicht unbedingt einer jahre- oder jahrzehntelangen Glaubenspraxis entstammen, die vielen mühsam und damit wenig attraktiv vorkommen mag. Manche Menschen empfangen diese selbst- und interesselose Liebe zu Gott als Geschenk. Urplötzlich bekommen sie Einblicke in ein transzendentales Reich, die z.B. anhand von veränderten Sinneswahrnehmungen ausgelöst werden. Dieser Vorgang, die Epiphanie, also eine göttliche Erscheinung, kann mit der vollständigen Wandlung eines Individuums einhergehen. Auch in der Ekstase, der Verzückung, die ebenfalls eine Transzendenzerfahrung darstellt, werden denjenigen, die sie erleben, Einblicke in einen andersweltlichen Seinszustand gewährt, der im Idealfall der Vorstellung vom Paradies gleichkommt, oder ihr zumindest ähnelt. Allerdings gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Wahrnehmungen auf einem Level, die bedrohlich, beängstigend oder sogar dämonisch ausfallen. Viele Märtyrerinnen und Propheten kämpften ein Leben lang mit solcherlei Dämonen. Und auch in der Gegenwart leben Menschen, die sich mit derlei Geisteszuständen konfrontiert sehen. Dass sich uns der Himmel tatsächlich im Rahmen unserer irdischen Existenz öffnen und uns eine über den Tod hinaus dauernde, metaphysische Heimstatt bieten kann, soll in den auf diesen Essay folgenden dargelegt werden. Wagen wir also das Abenteuer und begeben uns auf eine spirituelle Reise, die uns in vielerlei Hinsicht erleuchten wird.
