
„Schieß, lass sie tanzen, ja, lass sie tanzen, lass die Bastarde tanzen…“, ruft Carl seinem Kameraden zu, der das Maschinengewehr bedient, und aus dem über Bagdad kreisenden Helikopter auf eine Gruppe von Unbewaffneten zielt. Immer wieder feuert Chris Spencer auf die Zivilisten, die hinter einer Hausecke Schutz suchen. Zwecklos. Die US-Soldaten sind den etwa acht Personen überlegen. Es kommt ihm vor wie eines der Videospiele, die sein kleiner Sohn manchmal spielt. Chris mordet, anonym. Vorher hatte ihnen der Befehlshaber eine Arznei gegeben, „um die Konzentration zu fördern“. Und tatsächlich ist Chris bei der Sache und zugleich schüttet sein Körper Endorphine aus. Die anderen lachen enthemmt, der Pilot steuert das Fluggerät in Luftspiralen direkt über die Köpfe der Feinde, angeblich Terroristen, und Chris erscheint Maggie vor dem geistigen Auge, wie so oft. Jeder neue Einsatz trägt zu seiner Erschöpfung bei. Lou Reed, das Idol des Hobby-Gitarristen, textete: „I am tired, I am weary / I could sleep for a thousand years.” Maggie, die er vor diesem neuen Einsatz im Irak geheiratet und mit ihrem zehnjährigen Sohn Max zurückgelassen hat, fungiert für Chris als moralische Instanz. Sie ist immer bei ihm, in den Wüstennächten, in den Bars, wo sich die Kämpfer mit Hochprozentigem betäuben, und natürlich auch auf dem Schlachtfeld.
Erst im heimatlichen Detroit wird ihm klar, dass er auf keinen Fall Soldat bleiben kann. Schlaflosigkeit und Depressionen, Panikattacken und Herzrasen quälen Chris, seitdem er die Zivilisten erschoss. Dass sie keine Waffen trugen, weiß er. Definitiv. Er kannte diese Menschen nicht einmal, es handelte sich nur um kleine Punkte auf dem Monitor. Maggie, die ihn tröstet, vereinbart einen Termin beim Psychiater. Posttraumatische Belastungsstörung. Wissenschaftler schätzen, dass etwa 20 Prozent der ehemaligen Soldaten darunter leiden. Chris schockiert es, wenn Max Ego-Shooter zockt. Einmal reißt er die Konsole aus der Steckdose und zertritt sie. Der Alkoholkonsum ufert aus. Chris ertrinkt in einem Pool aus Wodka. Max weint immer häufiger, und auch Maggie hält es nicht mehr aus. Sie trennt sich von ihrem Mann. Der schluckt eine ganze Packung Tavor. Im Hospital sitzt Maggie an seinem Bett, als er aus dem Koma erwacht. „Ich komme zurück und werde bei dir bleiben, aber nur unter der Bedingung, dass du mit dem geschehenen Unrecht an die Öffentlichkeit gehst.“ Das tut Chris. Für ein Nachrichtenmagazin spricht er mit dem einzigen Überlebenden, über Skype. Als Chris den höchstens Zwanzigjährigen auf dem Screen sieht, heult er und bittet um Vergebung. „In schāʾa llāh“, spricht der Iraker und kommt Chris´ Wunsch nach.