Ausgabe No.2 unseres Magazins literatur fetzen ist am 1. Dezember erschienen. Sie enthält Texte, Bilder und Kunstwerke zum Thema „Sprache“. Unten ist mein Editorial für die Ausgabe zu lesen:
Editorial
Als ich für dieses Editorial nach Autorinnen, Schriftstellern, Journalistinnen und Dichtern suchte, die sich mit einer Sprache des Friedens auseinandersetzen, wurde ich auf Tsvia Walden-Peres aufmerksam, die Tochter des Friedensnobelpreisträgers und achten Ministerpräsidenten Israels, Shimon Peres. In ihrem Buch „Die Sprache des Friedens“ setzt sie sich für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ein, und vertritt die These, dass für einen Frieden nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle Verständigung notwendig sei.
In der vorliegenden, zweiten Ausgabe unseres Magazins interpretieren verschiedene Autorinnen, Dichter und Künstlerinnen das Thema Sprache auf ihre ganz eigene Weise. Mir persönlich ist daran gelegen, auf den Ursprung der Sprache hinzuweisen, und damit auf die ersten Menschen. Wie kommunizierten sie? Wie entwickelte sich die Sprache? Waren sie bereits in der Lage, anhand von wie auch immer gearteten Dialogen Konflikte zu lösen? Was können wir daraus für die Gegenwart lernen?
„Im Anfang war das Wort…“, heißt es zu Beginn des Johannes-Evangeliums. Hier wird einerseits auf die (menschliche) Erkenntnis angespielt, aber auch ein göttlicher Ursprung unserer Sprache insinuiert: „…und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.“
Ich hänge der romantischen Überzeugung an, dass in jedem menschlichen – und vermutlich auch tierischen – Lebewesen ein Kern steckt, die Seele. Kraft dieses Transmitters sind wir mit dem Kosmos verbunden. Wenn man nun davon ausgeht, dass die Seele unendlich ist, so war sie schon immer da und wird es immer sein. Das war bereits die Auffassung antiker Philosophen, wie Pythagoras oder Platon. Aus unserem tiefen Inneren heraus fließt eine Sprachform, die auf Liebe beruht, und die uns alle, sämtliche Lebewesen, berührt und deshalb verbindet. Sie ist dermaßen fundamental, dass wir sie fühlend, also emotional verstehen. Und dies gilt auch für Hunde oder Katzen, Delfine oder Pferde. Mithilfe der Sprache, einem Transportmittel des Friedens und der Liebe, wird es uns, so hoffe ich, irgendwann möglich sein, Missverständnisse endgültig auszuräumen, wobei viele das Gegenteil behaupten würden. Hierfür müssten jedoch die Menschen in sich gehen und sich auf ihre natürliche – oder kosmische – Herkunft rückbesinnen, um jenes Magnetfeld wiederzuentdecken, auf dem wir schreitend die Brüderlichkeit, die schwesterliche Verbundenheit praktizieren können, die für einen friedlichen, von Liebe dominierten Austausch unverzichtbar sind.
In meinen Augen sind es nicht die Sprachbarrieren, die zu Schwierigkeiten führen, sondern eher die zum Teil starren Herrschaftsformen. Vertreterinnen und Repräsentanten dogmatischer Regierungen und Religionen etwa rücken oftmals jene angeblich unüberwindbaren Hürden in den Fokus, und es mutet an, als wollten sie rücksichtslos durchsetzen, dass ihre eigenen Weltanschauungen die korrekten, während davon abweichende falsch und irreführend seien.
Hinsichtlich der tiefen, schier unüberbrückbar erscheinenden Feindschaft zwischen vielen Israelis und Palästinensern wäre es zu wünschen, dass die von Tsvia Walden-Peres eingeforderte Sprache des Friedens einst zur Befriedung der Region beitragen würde. Die Professorin für Psycholinguistik lehrt an der Ben-Gurion-Universität des Negev und setzt sich für Menschenrechte, den Friedensprozess im Mittleren Osten sowie für feministische Aktivitäten ein. Sie propagiert eine Kommunikationsform, die wohl einer Universalsprache ähnelt.
Ich wünsche uns allen, dass wir zu einem intuitiven Sprachgebrauch zurückkehren, der gegebenenfalls unter unseren Vorfahren üblich war. Es gibt so viele Wege, um zu kommunizieren. Doch die Sprache ist der wichtigste, bedeutsamste. Vielleicht tragen wir mit dieser Ausgabe unseres Magazins dazu bei, anhand von mannigfaltigen Sprachmodellen in Text- und Bildform Anregungen zu einem erfrischenden, verbalen Austausch zu geben.
Viel Freude dabei!
Jens-Philipp Gründler
